Kiefernmykorrhizen und ihre Diversität auf unterschiedlich stickstoffbelasteten Standorten im nordostdeutschen Tiefland

Synopsis: Types and diversity of the mycorrhiza zoenosis in two Scots pine stands in eastern Germany with different N-deposition were investigated. Remarkable was the low mycorrhizal frequency (percentage of mycorrhizae on total amount of root tips) with seasonal decreases up to 27 % at the impacted investigation site. As a measure for the surface of nutrient exchange between mycorrhizae and soil, the projection area of the mycorrhizae was determined. Whereas at the reference site most of the projection area was found in the organic layer, there was no such difference between organic and mineral soil layer at the impacted site. Also the size of this area was much smaller at this site. Only 9 mycorrhizal types were found there, instead of 18 types of the reference site. All these data suggest, that the pines at the nitrogen impacted stand fail to react flexible to temporal weather effects.

Keywords: Ectomycorrhizae, Pinus sylvestris, diversity, nitrogen deposition, fine roots

Schlüsselwörter: Ektomykorrhiza, Pinus sylvestris, Diversität, Stickstoffbelastung, Feinwurzeln

1. Einleitung

Durch atmosphärische Stoffeinträge aus der landwirtschaftlichen Düngung, aus Großmastbetrieben und aus Industrieanlagen sowie durch die Steigerung der forstlichen Düngung wurden die Forstökosysteme in Nordostdeutschland in den letzten Jahrzehnten stark verändert (HOFMANN 1996). Die meisten Baumarten bilden mit höheren Pilzen sog. Ektomykorrhizen - eine mutualistische Symbiose - aus. Durch hohe Stickstoffkonzentrationen kann die Mykorrhizierung negativ beeinflußt werden (HAUG & FEGER 1990, ARNEBRANT & SÖDERSTRÖM 1992, ARNEBRANT 1994). Im Rahmen des Verbundforschungsprojektes "Waldökosystemforschung Eberswalde" wird die Mykorrhizierung in zwei Kiefernforsten (Pinus sylvestris L.) unterschiedlicher Trophie untersucht. Der stickstoffbelastete Standort Bayerswald grenzt unmittelbar an das Industriegelände des ehemaligen Petrochemischen Kombinates (PCK) in Schwedt, das in der Vergangenheit hohe Stickstoffemissionen freigesetzt hat. Der Referenzstandort Hubertusstock liegt dagegen in einem größeren zusammenhängenden Waldgebiet des Biosphärenreservates Schorfheide Chorin.

2. Untersuchungsgebiete und Methoden

Die Untersuchungsstandorte sind in bezug auf klimatische und bodenkundliche Parameter vergleichbar (KOPP & SCHWANECKE 1994, HOFMANN 1996). Für beide Flächen gilt: Jahresniederschlag: 500-600mm; Jahresmitteltemperatur: 8,0-8,5°C; Humusform: Moder; Bodentyp: Podsol-Braunerde; Bodenart: fS bis mS; pH-Wert: 4,2; Bestandesalter: 70 bzw. 73 Jahre. Eine Düngemittelfabrik auf dem Gelände des "PCK" (s.o.) verursachte in den 80er Jahren im Bestand Bayerswald Stickstoffeinträge von über 34 kg/ha*a (SIMON & WESTENDORFF 1991). Eine detaillierte Charakterisierung der Standorte ist STEINER & al. (1996) zu entnehmen. Mit einem Bodenbohrer (8 cm i. D.) wurden vier mal jährlich je 12 Bohrkerne entnommen. Die Kiefernwurzeln und ihre Mykorrhizen wurden nach Bodenhorizonten (Humusauflage, Mineralboden 0-10 cm) getrennt aussortiert und den Mykorrhizierungsgrad (Anteil mykorrhizierter Wurzelspitzen an der Gesamtzahl der vitalen Wurzelspitzen) bestimmt. Mittels Echtfarbbildanalyse (Olympus CUE3) wurden die Projektionsflächen der Mykorrhizen vermessen. Die Determination beschriebener Mykorrhizen erfolgte nach AGERER (1987-1996) und AGERER & RAMBOLD (1996).

3. Ergebnisse

Der Mykorrhizierungsgrad schwankte in Hubertusstock in der Humusauflage zwischen 82 und 97 % (Abb. 1). In Bayerswald dagegen traten größere jahreszeitliche Schwankungen auf. Nach einer lang anhaltenden Bodenfrostperiode im Frühjahr 1996 kam es zu einem Rückgang der Mykorrhizierungsgrad auf 27 % und im darauffolgenden trockenen Sommer auf 55 %.

Abb. 1: Mykorrhizierungsgrad (Anteil der Mykorrhizen an der Gesamtzahl vitaler Wurzelspitzen) der N-belasteten Fläche Bayerswald und des Referenzstandortes Hubertusstock.

Fig: 1: Mycorrhizal frequency (percentage of mycorrhizae on total amount of vital root tips) at the high N-impacted site Bayerswald and the reference site Hubertusstock.

Die Projektionsfläche der Mykorrhizen ist in Abb. 2 dargestellt. Die Kiefern im Bestand Hubertusstock wiesen eine deutlich größere Projektionsfläche auf als die im Bestand Bayerswald. Der signifikant größere Anteil der Projektion der Mykorrhizafläche war in beiden Beständen in der Humusauflage zu finden, wobei der Unterschied zwischen Humusauflage und Mineralboden in Bayerswald nur gering war. Im Herbst 1996 und im Juli 1997 überstieg dort die Mykorrhizafläche des Mineralbodens sogar leicht die der Humusauflage. Ferner wurde in Bayerswald eine reduzierte Artenzahl an Mykobionten nachgewiesen. So konnten im Untersuchungszeitraum in Hubertusstock bis zu 18 Mykorrhizaformen ermittelt werden. In Bayerswald waren es dagegen nur 12 Formen, die alle auch in Hubertusstock vorkamen. Die Zusammensetzung der Mykorrhizazönose war auf den beiden Untersuchungsflächen unterschiedlich (Abb. 3). So dominierte Pinus sylvestris-Russula ochroleuca (Form 2) in Hubertusstock während der meisten Beprobungen, wogegen sie in Bayerswald fehlte. An diesem Standort trat dagegen die Form 4 dominant bis eudominant auf. Form 1 (P.s.-Cenococcum geophilum) und Form 5 (cf. P.s.-Xerocomus badius) waren in dieser Zönose in wechselnden Anteilen vertreten, während sie am Standort Hubertusstock in gleichbleibenden Anteilen zu finden waren.

Abb. 2: Projektionsfläche der Mykorrhizen in Humusauflage bzw. Mineralboden (mm²/100cm³) der Referenzfläche Hubertusstock und der N-belasteten Fläche Bayerswald.

Fig. 2: Projection area of mycorrhizae in the organic or mineral soil layer (mm²/100cm³) at the reference site Hubertusstock and the high N-impacted site Bayerswald.

Abb. 3: Dominanzstruktur der Mykorrhizazönose der Untersuchungsflächen Hubertusstock (geringe N-Belastung) und Bayerswald (hohe N-Belastung) (jede Schraffur steht für eine bestimmte Mykorrhizaform).

Fig. 3: Dominance features of the mycorrhiza zoenosis of the investigation sites Hubertusstock (with low N-deposition) and Bayerswald, the site with high N-deposition (each hatching shows a different type of mycorrhiza).


4. Diskussion

Bei der Bewertung immissionsbedingter Veränderungen in Waldökosystemen spielen die Biodiversität der Mykorrhizaformen und ihr zahlenmäßiges Vorkommen eine große Rolle. Am Standort Hubertusstock ließ sich fast ganzjährig ein hoher Mykorrhizierungsgrad der Kiefernwurzelspitzen von annähernd 90 % nachweisen. Auch DAHLBERG (1990) ermittelte in naturnahen Forstökosystemen bei der Kiefer Mykorrhizierungsgrade dieser Größenordnung. Der durch Stickstoff belastete Standort Bayerswald zeigte hingegen ausgeprägte jahreszeitliche Schwankungen des Mykorrhizierungsgrades mit einem zeitweiligen Rückgang der Mykorrhizierung auf 27 %. In Düngeversuchen fanden RITTER & TÖLLE (1978) eine Reduzierung des Mykorrhizierungsgrades auf 55 % erst bei Düngergaben von 3000 kg/ha*a. Der eutrophierte Standort Bayerswald ist offensichtlich nicht in der Lage, auf kurzfristige, einschneidende Witterungseffekte plastisch zu reagieren. Besonders auffallend waren die geringe Projektionsfläche der Mykorrhizen und die geringe Zahl der Mykorrhizaformen am Standort Bayerswald. Eine geringe Mykorrhizafläche und ein niedriger Mykorrhizierungsgrad lassen durch die Abnahme der Austauschoberfläche zwischen Bodensubstrat, Mykobiont und Phytobiont eine ineffiziente Nährstoffversorgung für Nährelemente, die an diesen Standorten nicht im Überschuß vorliegen, erwarten. Ferner ist der Schutz vor Pathogenen bei einem niedrigen Mykorrhizierungsgrad beeinträchtigt. Die Bedeutung der geringen Zahl der Mykorrhizaformen für die Vitalität und Stabilität der Kiefern unter hohen Stickstoffeinwirkungen müssen weiterführende Untersuchungen klären.

Danksagung: Die Untersuchungen werden vom BMBF unter dem Förderkennzeichen 0339670 unterstützt.

Literaturverzeichnis

AGERER, R., 1987-1996: Colour Atlas of Ectomycorrhizae. - Eichhorn, Schwäbisch Gmünd

AGERER, R. & G. RAMBOLD, 1996: DEEMY v. 1.0 - a DELTA-based system for characterization and DEtermination of EctoMYcorrhizae. - Institute for Systematic Botany, Section Mycology, University of München

ARNEBRANT, K., 1994: Nitrogen amendments reduce the growth of extramatrical ectomycorrhizal mycelium. Mycorrhiza 5: 7-15.

ARNEBRANT, K. & B. SÖDERSTRÖM, 1992: Effects of different fertilizer treatments on ectomycorrhizal colonization potential in two Scots pine forests in Sweden. Forest Ecol. Manage. 53: 77-89.

DAHLBERG, A., 1990: Effect of soil humus cover on the establishment and development of mycorrhiza on containerised Pinus sylvestris L. and Pinus contorta ssp. latifolia Engelm. after outplanting. - Scand. J. For. Res. 5: 103-112.

HAUG, I. & K.H. FEGER, 1990: Effects of fertilization with MgSO4 and (NH4)2SO4 on soil solution chemistry, mycorrhiza and nutrient content of fine roots in a Norway spruce stand. Water Air and Soil Pollut. 54: 453-467.

HOFMANN, G., 1996: Vegetationswandel in den Wäldern des nordostdeutschen Tieflandes. - Mitt. Bundesforschungsanst. Forst- u. Holzwirtsch. 185: 45-72.

KOPP, D. & W. SCHWANECKE, 1994: Standörtlich-naturräumliche Grundlagen ökologiegerechter Forstwirtschaft. - Berlin, 340 S.

RITTER, G. & H. TÖLLE, 1978: Stickstoffdüngung in Kiefernbeständen und ihre Wirkung auf Mykorrizabildung und Fruktifikation der Symbiosepilze. - Beitr. f. d. Forstwirtsch. 4: 162-166.

SIMON, K.-H. & K. WESTENDORFF, 1991: Stoffeinträge mit dem Niederschlag in Bestände des nordostdeutschen Tieflandes in den Jahren 1985-1989. - Beitr. f. d. Forstwirtsch. 25 (4): 177-180.

STEINER, A., SCHNEIDER, B.U., WÖLLECKE, J., MÜNZENBERGER, B., KRAKAU, U., BOLTE, A., FISCHER, T., HÜTTL, R.F., 1996: Strukturen und Stoffumsätze in ober- und unterirdischen Bestandesteilen unterschiedlich N-belasteter Kiefernökosysteme. - Mitt. Bundesforschungsanst. Forst- u. Holzwirtsch. 185: 237-239.


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